Alte Heimat Großenritte

Veröffentlicht am 30.03.2023 in Allgemein

Hatte mit seinen fundierten Kenntnissen die Aufmerksamkeit aller Gäste: Reiner Heine

„Daran kann ich mich noch erinnern! Bei dem habe ich auch gekauft!“ „Die Mohnschnecke bei dem war besser als man sie heute bekommt und hat nur einen Groschen (10 Pfennige) gekostet!“ „Wenn der fertig war, hatten alle Jungs den gleichen Haarschnitt!“ „Wenn man heute dort steht, kann man sich nicht mehr vorstellen, dass es einmal so ausgesehen hat!“

Die ersten sieben Jahrzehnte des alten Jahrhunderts wurden beim Seniorennachmittag des SPD-Ortsvereins Großenritte wieder lebendig. Reiner Heine hatte Fotos von der Zeit nach 1900 bis zur Gründung der Stadt Baunatal in 1966 digitalisiert und aufgearbeitet. Knapp 80 Bilder ließen so Zeiten wieder auferstehen, als die deutlich mehr als 30 Gäste des Seniorennachmittags noch kleine Kinder bis junge Erwachsene waren.

An die Werksbahn des Basaltsteinbruchs konnten sich noch alle erinnern. Ein Teilnehmer konnte berichten, dass er zu der dargestellten Rampe eine besondere Beziehung hatte. War er doch genau an seinem fünften Geburtstag von dieser heruntergestürzt und hatte sich den Arm gebrochen. Statt am Kaffeetisch mit seinen Gästen saß er nun mit eingegipstem Arm im Krankenhaus.

Gastwirtschaften gab es noch zuhauf in Großenritte. Wenn man es mit dem Trinken übertrieben hatte, musste keiner mehr als 300 Meter nach Hause laufen. Bei „Bahnewirts Kurt“ wurde genauso getanzt wie im heutigen Marie-Calm-Haus. Kleidung kaufte man nicht bei H&M oder C&A, sondern kaufte Wolle, Stoff und Knöpfe „beim Sieb“ im früheren Spritzenhaus, wo heute die Bushaltestelle an der Kirche ist, oder beim Textil-Siebert.

Zwei heimische Bäcker (Umbach und Engel) versorgten die Großenritter. Beide Bäcker brachten wie der Gudensberger Bäcker Brede (Pferde-Fuhrwerk!) Backwaren in die Straßen, wo sie ihre festen Haltestellen hatten. Dazu kamen mobile Verkaufswagen für Butter, Käse, Eier und Nudeln. Milch holte man beim Bauern in der eigenen Milchkanne. Obst brachte man in die örtliche Mosterei, wo man für seine Ernte Gutscheinmarken für daraus gemachte Fruchtsäfte bekam. Zum Frisör ging man zum Buntenbruch oder zum Stabenow, wenn man sich die Haare nicht zu Hause von „Fritzchen“ Ullrich schneiden ließ (herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 80.!). Fleisch und Wurst gab es von „Meilen Henner“ oder vom „Humburger“, wenn man nicht von einem der Hausschlachter die beim Haus gehaltenen Schweine schlachten ließ.

Gefeiert wurde auch viel. So konnte Reiner Heine viele Fotos von Großenritter Kirmes und Vereinsfeiern zeigen.

Die Erinnerungen gingen aber auseinander, als es um die genaue Umgebung des Hofes von „Ostheims“ ging, der auf dem heutigen Dorfplatz stand. Wo genau verlief der offene Leisel-Bach? Wo traf er sich mit dem ebenfalls offenen Heimbach? Beide sind in unterirdischen Rohren verschwunden. Auch ist nichts mehr von den Wegen zu sehen, auf denen die Kinder im Winter von der Straße Unter den Linden bis zur heutigen Raiffeisenbank oder sogar bis zum „Gröschner“ Schlitten fuhren.

Die Zeit verging wie im Flug und sorgte für Gesprächsstoff für das anschließende gemütliche Beisammensein. Alle sind sich einig: Die SPD sollte diese Rückschau noch ergänzen. Reiner Heine sortiert bereits seine nicht gezeigten Fotos.